„89/90“ vom Schauspiel Leipzig mit Denis Petkovic ist zum Theatertreffen 2017 eingeladen
In Peter Richters autobiografischem Wenderoman „89/90“ geht es um den großen Epochenumbruch des Mauerfalls, geschildert aus der distinktionsbewusst popliterarischen Sicht eines damals 16-jährigen Dresdners zwischen aufgekratzter Vorwende-Anarchie und demütigendem Nachwende-Kaufrausch. Regisseurin Claudia Bauer verkehrt die persönliche Erinnerung in ihr Gegenteil und inszeniert ein Wendeoratorium, in dem die subjektive Erzählerstimme aus dem Radiostudio der Erinnerung immer wieder zum Kollektiv auf die Bühne hinabsteigt und in ihm aufgeht: In einem Ensemble pummliger Pinocchio-Puppen, in einer für den Sozialismus gedrillten Schulklasse, in einem Freizeitchor, der auf der Bühne des Leipziger Schauspiels regimetreue und -kritische DDR-Songs ironisch feierlich intoniert. Zugleich wird die Geschichte einer fundamentalen Spaltung erzählt, die bis in die bundesdeutsche Gegenwart fortdauert: An der Rechts-Links-Kreuzung wählte man zwischen autoritärem Nationalismus und selbstverantwortlicher Freiheit. Bauer übersetzt beides in Bild und Ton und verhilft so dem Roman zu großer Form.
mit: Anna Keil, Annett Sawallisch, Bettina Schmidt, Wenzel Banneyer, Andreas Dyszewski, Roman Kanonik, Tilo Krügel
Regie: Claudia Bauer
Dramaturgie: Matthias Huber